Vor hundert Jahren erfand der gebürtige Belgier Leo Hendrik Baekeland in den USA den ersten vollsynthetischen Kunststoff, gab ihm den Namen „Bakelite“ und ließ sich den Herstellungsprozess patentieren.
Es handelt sich um einen duroplastischen Kunststoff auf der Basis von Phenol und Formaldehyd. Durch Polymerisierung unter Hitzeeinwirkung entsteht ein Kunstharz. Die weiche warme Masse wird in eine beheizte Form gegossen und gepresst. Durch Abkühlung härtet sie aus.
“Polyoxybenzylmethylenglycolanhydrid“ lautet die chemische Bezeichnung für das Produkt.
Nützliche Eigenschaften
Zum Bakelit kam Baekeland, als er nach einem Ersatzstoff für Schellack suchte, ein Naturharz, das eine Schildlausart ausscheidet. Es wurde für die Isolierung elektrischer Leitungen in großen Mengen benötigt. Gegenstände aus Bakelit sind chemisch stabil und hitzebeständig, resistent gegen Meerwasser und Säure, sie schmelzen nicht und verformen sich nicht. Außerdem isoliert Bakelit, ebenso wie Schellack.
Lichtschalter, Steckdosen, Telefone wie der Siemens-Klassiker W 48, Radiogehäuse, auch vom „Volksempfänger“ des 3. Reiches, Schallplatten, Billardkugeln, Spielzeug, Türklinken und Füllfederhalter entstanden aus Bakelit, immer in dunklen Farben, die durch das Tageslicht weiter nachdunkeln. Heute haben andere Kunststoffe das Bakelit weitgehend verdrängt. Es wird aber noch immer verwendet als Isolator sowie für Ummantelungen und Schalter.
Aus einem Kunststoff namens „Duroplast“, der mit dem Bakelit eng verwandt ist, schuf man in der DDR die Karosserie für den „Trabbi“, der inzwischen ein Sammlerobjekt geworden ist.
Der 1863 geborene Leo Hendrik Baekeland war Sohn eines Schumachers, der wie viele seiner Zeitgenossen selbst nicht lesen und schreiben konnte. Der begabte Junge konnte in Gent das Königliche Athenäum besuchen und an der Universität mit einem Stipendium Naturwissenschaften studieren. Er promovierte mit 21 Jahren. Ein Reisestipendium ermöglichte es ihm, in die USA zu reisen. Er fand gleich Arbeit in New York.
Dort machte sich der junge Chemiker selbständig und erfand ein neuartiges Photopapier. Dieses „Velox“-Papier erlaubte es, Fotos ohne Tageslicht bei künstlichem Licht zu entwickeln. Der Verkauf der Rechte an George Eastman (Kodak) machte Baekeland zum Dollarmillionär. Er erwarb ein Landgut und richtete sich die Scheune als Laboratorium ein.
Bruch mit seiner Vaterstadt
In Gent wollte Baekeland seine Erfindung feiern. Doch zum Empfang im Genter „Hotel de la Poste“ erschienen nur sechs der geladenen Gäste. Die Genter Gesellschaft neidete dem geschäftstüchtigen Wissenschaftler seinen Erfolg und boykottierte ihn. Das hat er Stadt und Universität wohl nie verziehen.
1909 gründete Baekeland in Erkner bei Berlin die Bakelite GmbH, die später das Schluss-e verlor. Sie gehört heute zum Unternehmen Hexion Specialty Chemicals. 1910 folgte die General Bakelite Company in Perth Amboy (New Jersey). Baekeland verkaufte sie beim Eintritt in den Ruhestand an Union Carbide.
Im Ruhestand widmete sich Baekeland neuen Aufgaben. Auf seinem Grundstück in Florida schuf er einen tropischen Park, und mit einer Segeljacht befuhr er die Gewässer der Karibik. Aber er soll immer misstrauischer geworden sein und nur noch Nahrung aus Konserven zu sich genommen haben. Er starb 1944.
Das TIME Magazin führte Leo Baekeland in seiner Liste von den 100 bedeutendsten Menschen des 20. Jahrhunderts auf. Auf die Liste der bedeutendsten Belgier gehörte er nicht, war er doch US-Staatsbürger geworden.
Universität Gent ehrt Baekeland
Die Zurückweisung ihres berühmten Sohns repariert die Universität Gent mit einigen Aktionen im Bakelit-Jubiläumsjahr. Sie veranstaltet zu seinen Ehren zusammen mit der „Belgian Polymer Group“ vom 23. bis 26, September 2007 ein Wissenschaftliches Symposium unter dem Titel „Baekeland 2007: Thermosets, 100 years after Bakelite“. Dabei geht es um neuartige Kunststoffe, die wie Bakelit hitzebeständig sind.
Die Abteilung Technologietransfer der Universität Gent veranstaltet am 24. Oktober 2007 ein weiteres Seminar unter dem Titel „New materials venturing“. Mit Fallstudien und aktuellen Berichten sollen Firmengründer, Forscher und Risikokapitalinvestoren im Sinne des Forschers und Unternehmers Baekeland zusammen gebracht werden.
Zwei Baekeland-Fonds stellen Investitionen für Ausgründungen (Spin-offs) und Hochtechnologie-Unternehmem zur Verfügung. Eine Assoziation der Universität betreibt sie zusammen mit Banken und Investoren.
Info:
Unter dem Titel „Baekeland 2007“ veranstaltet das Wissenschaftsmuseum der Universität Gent bis zum 24. Dezember 2007 eine Ausstellung mit zahlreichen Exponaten aus Industrie und Privatsammlungen. Wissenschaftsmuseum (Museum voor de Geschiedenis van de Wetenschappen) Campus Sterre Krijgslaan 281 9000 Gent.
Eine weitere Ausstellung findet im Science Museum in London statt. „Plasticity – 100 years of making plastics” im Science Museum Exhibition Road South Kensington London SW7 2DD
In Kierspe im Sauerland (bei Hagen/Westfalen) zeigt ein Bakelit-Museum (Altes Amtshaus Friedrich-Ebert-Str. 380 D-58566 Kierspe) viele Exponate.
Von Jan Kurlemann
Links:
Hallo aus Erkner, der Wiege des ersten voll-synthetischen Kunststoffes Bakelit, weitere Informationen gibt es bei den Chemiefreunden Erkner, mfg Joachim Schmidt