Der Himmel war grau, es regnete, aber alle der mehr als hundert Geladenen kamen, und das an einem Samstag, um am Festtag der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Brüssel teilzunehmen. Begrüßt würden sie mit einem kräftigen Handschlag vom neuen Ministerpräsidenten der Deutschsprachigen Gemeinschaft, Oliver Paasch, dem ehemaligen Ministerpräsidenten und heutigen DG-Parlamentspräsidenten Karl-Heinz Lambertz, sowie dem Leiter der Brüsseler DG-Vertretung, Alexander Homann. Ein Raunen ging durch die hochrangige Gästeschar, unter ihnen viele Botschafter, Gemeindepolitiker, DG Parlamentarier, Minister sowie „einfache“ Ostbelgier, als sich Belgiens (noch fast frischgebackener) Premierminister Charles Michel wie ein Ottonormalverbraucher unter die Gäste mischte.
Noch nie sei er in diesem wundervollen Haus der Deutschsprachigen Gemeinschaft gewesen, das die Hand des berühmten Architekten Henry Vandevelde trägt, vertraute er mir an. Nein, Deutsch spreche er nicht, aber er sei ja lernfähig und ein wenig verstehe er bereits. Obwohl Politik seine Leidenschaft ist, unterhielt er sich mit den Gästen, über „Gott und die Welt“. „Das ist ja ein Politiker zum Anfassen, wirklich bürgernah, das hätte ich nun nicht gedacht“, so eine Ostbelgierin ganz begeistert, während sich die Journalistin und Autorin Marion Schmitz-Reiners Belgiens Premier Charles Michel viel kleiner vorgestellt hatte.
Gleichwohl waren alle Augen auf Oliver Paasch, den jungen, gutaussehenden neuen Ministerpräsidenten der Deutschsprachigen Gemeinschaft gerichtet, der in wenigen Minuten die Festansprache halten würde. Im Vorjahr hatte das redegewandte politische DG-Schwergewicht, Karl-Heinz Lambertz, eine leidenschaftliche, fast unvergeßliche Rede über die Zuständigkeiten der DG und ein „Belgien zu Viert“ gehalten. Würde der Neue, Oliver Paasch, daran anknüpfen können? so die Frage derjenigen, die ihn bislang nicht kannten.
Paasch spricht
Mit den Worten „Im Namen der Parlamentes und der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft darf ich Sie heute herzlich in unserer Brüsseler Vertretung willkommen heißen“, betrat er charmant und souverän die „Bühne“. Er freue sich, so viel treue Freunde der DG wiederzusehen, und auch neue Gesichter begrüßen zu dürfen. Zum 25. Mal begehe die Deutschsprachige Gemeinschaft diesen Festtag, zum 10. Mal in der Brüsseler Vertretung. Im Vergleich zu den früheren Empfängen gebe es allerdings eine auffällige Neuerung …. Der jetzige Ministerpräsident sei nunmehr größer und vielleicht auch schlanker, witzelte er in Shakespeares Sprache, und der ehemalige Ministerpräsident Karl-Heinz Lambertz, dem dieser Vergleich galt, nahm´s mit Humor.
Danach wurde Paasch, der alternierend in vier Sprachen wechselte, politisch. Er betonte, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft ein würdiger Partner Belgiens und Europas sei. Zu Europa gebe es keine Alternative, das sollten wir zumindest aus unserer wechselvollen und zum Teil schmerzhaften Geschichte gelernt haben. Weiter werde sich die Deutschsprachige Gemeinschaft bemühen, die Menschen vom Mehrwert der EU und vom konkreten Nutzen der großen europäischen Idee zu überzeugen. Dafür seien europäische Grenzregionen wie die DG besonders gut geeignet.
Ferner werde sich die DG auch weiterhin aktiv an den Arbeiten europäischer Gremien, in denen sie vertreten sei, beteiligen. Das gelte in besonderem Maße für die AGEG und den AdR. Froh und dankbar sei er, dass sich der heutige Parlamentspräsident Karl-Heinz Lambertz bereit erklärt habe, die Deutschsprachige Gemeinschaft in diesen Gremien weiter zu vertreten. „Einen besseren Vertreter und Botschafter der DG hätten wir für diese Aufgabe nicht finden können“, fuhr er fort.
König Philipp und die DG
Mit Blick auf den Festtag der Deuschsprachigen Gemeinschaft, der seit 1990 jedes Jahr am 15. November stattfindet und deckungsgleich mit dem belgischen Fest des Königs zusammenfällt, sagte Paasch, dass König Philippe der Deutschsprachigen Gemeinschaft stets mit sehr viel Respekt und Wertschätzung begegne. Vor einigen Wochen habe der König auf Einladung des deutschen Bundespräsidenten Gauck sogar erstmals am traditionellen Treffen der Staatsoberhäupter deutschsprachiger Staaten in Europa teilgenommen. Ein aussagekräftigeres Symbol für die Anerkennung der deutschen Sprache und der deutschsprachigen Bevölkerung in Belgien könne es gar nicht geben.
Gleichwohl unterstrich er, dass er wie sein Vorgänger an der Vision eines „Belgien zu Viert“, festhalte. Diese Vision entspreche den einstimmigen Vorstellungen aller Fraktionen im Parlament der DG. In den instititionellen Fragen ginge es nicht um Sonderrechte, sondern immer nur um den Anspruch, genauso behandelt zu werden wie alle anderen Belgier. Paasch versicherte, dass die DG gerne zur konstruktiven Zusammenarbeit mit allen Regierungen und Parlamenten innerhalb Belgiens bereit sei.
Diese Worte kamen nicht nur bei Charles Michel, sondern auch bei Belgiens Außenminister Didier Reynders gut an. Hinsichtlich der neuen Befugnisse der Deutschsprachigen Belgier gebe es vor allem in Finanzierungfragen noch einige Probleme, aber nichts Unüberwindliches, sagte er zu mir. Und zu Oliver Paaschs Festrede meinte er auf meine diesbezügliche Frage, dass dieser klare, deutliche Worte gesprochen habe. „Sehr perfekt und pointiert,“ so sein Urteil. Gerne nehme er am Festtag der Deutschprachigen Belgier, auf den er sich stets freue, teil. Charles Picqué, Präsident des Parlaments der Region Brüssel-Hauptstadt, fügte hinzu, dass die bodenständigen und so sympathischen Ostbelgier wirklich zu feiern wüßten, und auch allen Grund dazu hätten.
Text: Heide Newson
Fotos: nemo.presse
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