Gesperrte Straßen rund um den Rond Pont Schuman, flanierende Europaabgeordnete, viele Persönlichkeiten aus der EU und massenhaft Volk auf der Straße. Mehr als 30.000 Besucher, darunter viele Belgier und Deutsche, strömten bei spätsommerlichen Sonnenschein am Donnerstag, dem 1. Oktober, in den Brüsseler Jubelpark, um den 25. Jahrestag der Deutschen Einheit zu feiern. Und einen Tag später fand mit rund tausend Gästen der festliche Empfang der bilateralen Botschaft statt, bei dem auch nachdenkliche Worte fielen.
Geladen hatte am Donnerstag die Ständige Vertretung Deutschlands zu einer spektakulären Lichtinszenierung unter dem Titel „Sound and Lights of Unity“, die auf den Triumphbogen in Park Cinquantenaire und seine Flügelbauten projiziert wurde und sie in ein sich permanent wandelndes Farbenkleid hüllte. Dazu gehörte eine stündlich wiederholte achtminütige Videoprojektion, die die Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas nach dem kalten Krieg sowie aktuelle europapolitische Herausforderungen künstlerisch thematisierte. Dazwischen sorgten der Berliner Lichtkünstler Matthias Zeckert und sein Team von „German Arts“ von 19 Uhr bis 24 Uhr für ein Sound & Light-Spektakel. Zu permanent neuen Lichtstimmungen legten die DJs Rainer Kranich (Ibiza), Chris Zippel (Berlin), Rich Ears (Amsterdam), Aiora (Athen) und ED2000 (London) speziell für diesen Abend kompilierte Chill out- und Ambient-Musik auf.
Unter freiem Himmel fieberte Reinhard Silberberg, Deutschlands Ständiger Vertreter bei der EU, zusammen mit den etwas fröstelnden Zuschauern dem Einsetzen der Dunkelheit entgegen. Um 20 Uhr verwandelte sich der 50 Meter hohe Triumphbogen in ein faszinierendes Lichtermeer. „Versetzen sie sich ins Jahr 1933 nach Berlin“, ertönte die Stimme von der ZDF-Studienleiterin Anne Gellinek, die “live“ auf einem der Torbögen erschien, während Reinhard Silberberg mit einem „Guten Abend Brüssel“ und „Welcome Brussels“ die Schaulustigen begrüßte und sich beim Gastgeberland Belgien, dass diese Videoinstallation ermöglicht habe, bedankte. Parlamentspräsident Martin Schulz unterstrich die Bedeutung der deutschen Wiedervereinigung. Glücklich dürften wir alle sein, auf einem Kontinent der Freiheit, Demokratie und Solidarität leben zu dürfen.
Gänsehaut-Momente
Anschließend gibt‘s Gänsehaut-Momente. Die Videoprojektion beginnt mit der Machtergreifung Hitlers im Jahr 1933. Hakenkreuze erscheinen auf der riesigen Projektionsfläche des Triumphbogens. Nazis marschieren mit Fackeln durch das Brandenburger Tor – ein Schockmoment, umso mehr, da alles so echt wirkt und der Brüsseler Triumphbogen dem Brandenburger Tor ähnelt. Eindrucksvoll, wenngleich mutig und gewagt, wird Deutschlands Geschichte dokumentiert, nichts wird unter den Teppich gekehrt. Aber auch die schönen Momente wie die Wiedervereinigung im europäischen Kontext sowie aktuelle europapolitische Herausforderungen werden in der Bilderfolge in Großformat auf beeindruckende Weise thematisiert.
Dennoch hält sich die Partystimmung bei dem zuletzt überwiegend jungen Publikum in Grenzen. „Die Musik hätte fetziger sein dürfen, da kam keine richtige Stimmung auf“, meint Didier, der mit seinen Freunden wie zur Fußball-Weltmeisterschaft so richtig auf den Putz hauen wollte. Nein, mit dem Video hätten weder er noch seine belgischen Freunde Probleme gehabt, eher die deutschen Zuschauer. Aber ein wenig Oktoberfeststimmung hätte dem Fest nicht schaden können.
„Bilateraler“ Empfang
Stimmungsvoll, fröhlich und gesellig ging´s am Freitag beim gemeinsamen Empfang der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland und der EU-Vertretungen der 16 deutschen Länder in den Räumlichkeiten von Sachsen-Anhalt zu. Mehr als tausend internationale Gäste aus den Europäischen Institutionen, der Nato und der Botschaften sowie Vertreter aus Industrie- und Wirtschaft, darunter viele Belgier, waren gekommen, um an den Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit teilzunehmen. Gespannt waren die Gäste vor allem auf den neuen Botschafter, Rüdiger Lüdeking. Lange Schlangen bildeten sich bereits vor der Eingangstür. Alle wollten den Botschafter persönlich begrüßen.
„Auch im Namen meiner Frau heiße ich Sie heute zur Feier der deutschen Einheit willkommen“, so Lüdeking in seiner Ansprache. Er bedankte sich für das herzliche Willkommen und die freundliche Aufnahme, die er und seine Frau bereits in Belgien erfahren haben. „Wir sind erst wenige Wochen hier und fühlen uns doch schon sehr zuhause.“
Dann ging er auf die exzellenten deutsch-belgischen Beziehungen ein. „Deutschland und Belgien sind nicht nur Nachbarn. Sie verbindet vielmehr eine enge, von gegenseitigem Vertrauen getragene Freundschaft.“ Zudem würden die Beziehungen zwischen beiden Ländern auf einem soliden Fundament gemeinsamer Überzeugungen und Bekenntnis zur europäischen Integration und europäischen Werten gründen. „Ich hoffe, dass ich während der nächsten Jahre einen Beitrag zur Pflege und weiteren Vertiefung der bilateralen Beziehungen zu leisten vermag.“ Die vielfältigen aktuellen Herausforderungen könne man nur gemeinsam in enger europäischer Zusammenarbeit meistern.
„Ein schwieriger Weg“
Den Tag der Deutschen Einheit feiere Deutschland mit Dankbarkeit und Freude. „Für uns Deutsche hat sich ein sehnlicher Wunsch erfüllt. Wir leben in einem freien, demokratischen und sozialen Rechtstaat. Und wir leben in Frieden und Freundschaft mit unseren Nachbarn“, fuhr er fort.
Zum Flüchtlingsstrom meinte er, dass es mit einer Willkommenskultur nicht getan sei. Vielmehr liege der schwierigste Teil des Weges noch vor uns. Dabei gehe es zum einen um die Integration der Menschen, die ein Anrecht auf Asyl hätten, zum anderen aber auch um die Bekämpfung der Fluchtursachen. „Diese Aufgabe erfordert einen langen Atem.“
Zum 1. Oktober so der Botschafter weiter, habe das Land Bremen den Vorsitz in der Konferenz der Ministerpräsidenten der Bundesländer übernommen. Deshalb sei es ihm eine Freude, Frau Staatsrätin Ulrike Hiller zu begrüßen und ihr das Wort zu geben.
Diese legte sogleich in den belgischen Muttersprachen los. „Das war Französisch“, meinte sie in ironischer Selbstkritik mit Blick auf ihre Sprachkenntnisse, und hatte sofort die Lacher auf ihrer Seite. In ihrer Ansprache warb sie für Solidarität und Offenheit in Europa. „Nationalismus und Abschottung von Grenzen und neue eiserne Vorhänge sind untauglich die aktuellen Aufgaben zu bewältigen“, betonte sie.
Zum Schluss wurde das Tanzbein geschwungen
Anschließend flossen Bier, Wein und Wasser in Strömen. Und ein Super-Sound der Bremer Band „Swinging Pool“ heizte die Stimmung so richtig an. Von 12 bis 15 Uhr sollte der Empfang dauern, aber die meisten Gäste hielten sich nicht daran. Zu toll war das Ambiente, zu gut verliefen die Gespräche und das Networking. Zum Schluss wurde sogar noch das Tanzbein geschwungen, während andere im Garten ein Sonnenbad nahmen.
Fotos 1-3: Folkert Herlyn
Netter artikel! Heide ging durch die hohe schule der diplomatie, bravo! Ich fand das fest enttäuschend, das video der sogenannten jungen künstler war für mich zusammengetakkerter mist. Lernen kann daraus niemand, schon gar nicht die un der regel geschichtsunkundige jugend oder die belgier. Die musik schlichtweg scheusslich und nicht nur wenig ansprechend. Dazu überall stockfinsternis, für ältere gefährliche bodenfallen. Ganz schlimm die offensichtliche trennung von fussvolk und vips! Da wurden richtig grenzen gezogen, ein hoch auf die doch so soziale eu! Zwischen den zeilen las ich kritik, hoffe anderen ging es auch so. Herzlichst ilse leckert