„Der Lassmann lässt lässig mich allerlei lassen / Was ihm zu verheißungsvoll scheint / Der Lassmann lässt letztlich mich alles verpassen / Wozu er ‚Det muss doch nich…‘ meint. / Und so trägt er Schuld an dem Tod von Momenten / Die nie zu Momenten geworden.“ – Viele poetische, lustige und nachdenkliche Augenblicke jedenfalls bescherten sechs Wortkünstler aus Berlin und Flandern einem überwiegend jugendlichen Publikum beim deutsch-belgischen Poetry Slam am 27.11. in Leuven. Dort widmet sich die Universität derzeit im Rahmen eines „Deutschlandjahrs“ in besonderer Weise dem großen östlichen Nachbarn Belgiens. So waren viele Studenten gekommen, aber auch Schüler der iDSB mit ihren Deutschlehrern, von Wezembeek-Oppem ist es schließlich nur ein Katzensprung dorthin.
Einen wesentlich weiteren Weg hatten die Berliner Till Reiners, Josefine Berkholz und Julian Heun zurückgelegt, die auf Einladung der Berliner Landesvertretung und des Goethe-Instituts eigens von der Spree an die Dijle gereist waren. In Deutschland sind sie mit ihren Texten schon seit einigen Jahren unterwegs und haben dort bereits viele Preise gewonnen. Die deutsche Poetry-Slam-Szene ist eine der größten weltweit, doch „Kult“ ist diese Form des Dichterwettstreits seit langem auch in Belgien, wo Jee Kast, Carmien Michels und Simon den Haerynk diese Kunst ähnlich prominent vertreten.
Zwei Kulturen begegnen sich
Eigentlich treten beim Poetry Slam die Teilnehmer mit ihren kurzen, aber gepfefferten Texten gegeneinander an und buhlen heftig um die Gunst des Publikums, das am Schluss durch Zuruf einen Sieger kürt. Diesmal ging es aber ganz freundschaftlich zu, die Begegnung, nicht die Konkurrenz zweier Sprachen und Kulturen stand im Vordergrund, launig moderiert von dem Antwerpener Dichter Stijn Vranken. Und zu fesseln wussten ohnehin alle sechs „Slammer“ ihre Zuhörer: mit Wortspielen und witzigen Einfällen, mit Rhythmus, Tempo und zielsicher eingesetzter Gestik. War es Zufall, dass die flämischen Texte dabei oft politischer, gesellschaftskritischer zu sein schienen, während die deutschen eher persönliche Erlebnisse zum Ausgangspunkt hatten?
unterhalten, zum Nachdenken anregen, Mut machen
So sinnierte Josefine Berkholz über die Momente des kollektiven Rausches, die ach so oft von Ernüchterung gefolgt sind. Till Reiners erzählte in „Ich habe keinen Text mehr“ über allerlei Gespräche von heute, in denen nichts mehr gesagt wird, auch weil sich keiner traut – und philosophierte darüber, wie man das ändern könnte. Und Julian Heun erteilte am Schluss der ersten Slam-Runde seinem imaginären „Lassmann“ eine sehr engagiert formulierte Absage: „Da sag ich dem Lassmann im Angesicht des Angstgesichts: / ‚Du gammeliges Schandgericht / Mir langt schlicht Deine Ansicht nicht / Wer sagt denn hier ‚Ich kann das nicht‘? / Lass man, Lassmann!, / Ich glaub, all das da, das ist ganz machbar.‘“
Ein Poetry Slam bezieht das Publikum besonders intensiv ein, provoziert es, bringt es zum Lachen und Nachdenken – und kann es manchmal auch ermutigen, und sei es dazu, sich wieder neu mit Poesie zu beschäftigen. Dichtung nicht als erhabene Bildungsveranstaltung, sondern als kurzweilige und dennoch besinnliche Form der Unterhaltung: In Leuven konnte kaum jemand genug davon bekommen.
Autor: Friedhelm Tromm
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