Editorial

Klimagipfel, Jugendbewegungen und Co. – ein kurzer persönlicher Einblick in die belgischen und deutschen Bewegungen

Von Carolin Fröhlich. 

Carolin Fröhlich absolviert derzeit einen internationalen Jugend Freiwilligendienst in Brüssel. Weil sie sich schon in Deutschland in der Klimabewegung und bei „Fridays for future“ (FFF) engagiert hat, suchte und fand sie auch in Belgien Anschluss bei den hiesigen Aktiven. Hier berichtet sie von ihren Erfahrungen:

Trotz einer scheinbar zunehmenden Platzierung von Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen auf Titelseiten und den Tagungsagenden von Politiker*innen, rast die Welt nach wie vor mit Vollgas in die Klimakrise. Aktivist*innen aus der ganzen Welt versuchen auf das Thema aufmerksam zu machen. Ich bin eine davon und das sogar in zwei Ländern. Durch meinen Umzug nach Belgien im Herbst 2020 bin ich nun auch seit Anfang 2021 neben „Fridays For Future“ auch bei „Youth For Climate“ aktiv. Es ist ganz spannend zu vergleichen und zu erleben, wo sich die beiden Jugendbewegungen zur Klimagerechtigkeit ähneln und wo sie sich unterscheiden.

Fridays For Future Deutschland als auch Youth for Climate eint, dass sie Protestbewegungen sind, die sich mit ihren Forderungen an Politiker*innen und andere Personen in Machtpositionen richten. Ganz oben auf der Agenda steht in beiden Ländern Klimagerechtigkeit, d.h. soziale Anliegen beim Kampf gegen die Klimakrise mit zu beachten und auf die sozialen Folgen jener Krise aufmerksam zu machen.

Organisatorisch allerdings sieht das Ganze ein wenig unterschiedlicher aus. Als ich nach Belgien kam, war ich an ein System mit mehreren Gremien auf Bundesebene, einer großen Autonomie lokaler Gruppen und einer gigantische „Basis“, also Menschen, die primär lokal aktiv sind, gewöhnt. Hier in Belgien sind die Räder der Klimabewegung weniger ineinander verzahnt als in Deutschland und die nationale Ebene hat nur wenig Einfluss auf, bzw. Kontakt zu lokalen Gruppen. Deshalb lässt sich sehr schwer abschätzen, wie viele Menschen sich aktivistisch engagieren. Die Pandemie fordert die Organisationsstrukturen in beiden Ländern zusätzlich heraus und stellt die Motivation der Aktivist*innen auf die Probe. Trotz des allumfassenden Corona-Blues sind in Deutschland immer noch mehrere hundert aktive Ortsgruppen zu verzeichnen. Die Bewegung in Belgien wird langsam wieder aktiver, wenngleich sie momentan deutlich weniger Mitglieder hat. Auch die große globale Streikaktion am 19.03. könnte einiges zu dieser Reaktivierung beigetragen haben, denn mittlerweile sind meine Mitaktivist*innen und ich in beiden Ländern wieder stark in die Vorbereitung einer Reihe von Kampagnen und Aktionen eingebunden.

In Deutschland sorgen die anstehende Bundestagswahl und die zahlreichen Landtagswahlen für Organisationsdruck. Fridays for Future Deutschland versucht derzeit, gemeinsam mit weiteren gesellschaftlichen Gruppierungen, ein breite Masse für klimapolitische und soziale Themen zu mobilisieren und Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass 2021 eines der letzten Jahre ist, noch rechtzeitig auf den Klimawandel zu reagieren. Im Falle Belgiens, wo für dieses Jahr jedenfalls keine Wahlen geplant sind, stehen eher die internationalen Gipfel im Mittelpunkt der aktivistischen Aufmerksamkeit, nicht zuletzt die im November 2021 stattfindende UN-Klimakonferenz in Glasgow. Die läuft unter der Bezeichnung COP 26 (also die 26. internationale UN-geleitete „Conference of the Parties“) und ist das Klimaevent des Jahres.

Und diese internationale Ebene schwingt hier in Belgien viel mehr mit, als in Deutschland. Die EU ist super präsent in den Aktionen von Youth for Climate, allein schon durch die lokale Nähe zu den EU-Institutionen. „Klar!“ denkt man sich vielleicht „Ist ja auch Brüssel! Und Belgien ist da nun mal mit verbunden.“ Aber letztendlich bedeutet das, dass sich die belgische Klimabewegung nicht nur mit den Klimaambitionen ihrer eigenen Regierung auseinandersetzt, sondern auch ständige Präsenz im EU-Geschehen hat.

Es gibt zum Beispiel eine Kampagne zur „Gemeinsame Agrarpolitik“, bei der Aktivist*innen einen größeren Fokus auf Anreize für Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft fordern. Das belgische Youth for Climate demonstrierte im Rahmen der Kampagne direkt vor der Kommission, während die deutsche Beteiligung an der Kampagne mehr auf deutsche EU-Parlamentsabgeordnete abzielte. Das heißt aber keineswegs, dass Belgien immer allein die EU-Angelegenheiten stemmt. Es findet durchaus eine innereuropäische Absprache mit Aktivist*innen aus allen europäischen Ländern statt. Das gilt auch für Themen, die weit über die europäischen Außengrenzen hinausgehen, wie beispielsweise bei der letzte Woche von den USA veranstalteten Großkonferenz, die den Wiedereinstieg der USA in das Pariser Klimaabkommen propagierte.

In Deutschland sollten Bannerdrops, Fahrraddemos und Kundgebungen dezentral Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Für Belgien war die Situation ein wenig anders, da Belgien ja gar nicht zum Gipfel eingeladen worden war. Stattdessen wurde ein kurzes Video vor der Europäischen Kommission gedreht, in dem Aktivistinnen und Aktivisten eine Rede halten, wie sie sie sich inhaltlich von ihren EU-Vertreter*innen wünschen würden.

Die von der US-Regierung eingeladenen 40 Regierungschefs versammelten sich also anlässlich des internationalen Earth Day online um zusammen mit den USA über Ziele im Klimaschutz zu sprechen. Dass kaum Länder, die schon längst von der Klimakrise betroffen sind, bei dieser wichtigen Konferenz auf der Gästeliste standen, führte zu weltweiten Protestaktionen, an denen sich auch die deutschen und belgischen Klimabewegungen beteiligten. Darüber hinaus konnten sich weltweit Menschen unter den Hashtags #nomoreemptysummits („keine ergebnislosen Gipfel mehr“) und #nomoreemptypromises („keine inhaltslose Versprechen mehr“) miteinander solidarisieren.

Ich bin jedenfalls sehr froh über die Möglichkeit, mich sowohl zu Hause, als auch hier in Belgien mit Aktivist*innen bei diesem absolut zentralen Thema zusammenschließen und voneinander lernen zu können.

 

Foto: Carolin Fröhlich

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