Es vergeht kaum ein Tag im Lokalteil in deutschen Tageszeitungen ohne einen Bericht über irgendeine Bürgerinitiative, die einen Autobahn(aus)bau aus Lärmschutzgründen verhindern will. Die aberwitzigsten Argumente werden erfunden oder zum Erstaunen der Leser einfach behauptet. So zitierte die Westdeutsche Zeitung am 28. September zum Ausbau der A 57 (Köln-Krefeld) einen Betroffenen: “Meine Enkelkinder können wegen des Lärms der Autobahn leider nicht mehr bei mir übernachten.”
Solche übertriebenen Feststellungen dürften bei manchem belgischen Hausbesitzer lediglich Achselzucken hervorrufen, denn eine Autobahn vor der Haustür, das ist für ihn doch etwas Feines. Eine Fahrt über die mit 90 km/h befahrbare N75 zwischen Maasmechelen und Genk ist sehr lehrreich. Hier entstanden in Bret-Gelieren (Genk) ansehnliche Wohnviertel direkt an der Schnellstraße. Im unweit gelegenen Lanklaar bietet sich ein ähnliches Bild. Auch hier entstand ein modernes Wohngebiet.
Das beeindruckendste Beispiel für die Lärmresistenz der Belgier ist die wohl am schnellsten erreichbare Luxuszeile der Welt: die A11 (ehemals N498). An diesem mit 120 km/h befahrbaren “Nobelboulevard” reiht sich Villa an Villa, Landhaus an Landhaus. Das Alter der Gebäude und die teils noch im Bau befindlichen Häuser verraten, dass diese Grundstücke trotz ihrer Lage an einer autobahnähnlichen Straße offenbar begehrt sein müssen.
Was stört, ist nur der Radweg
Auf die Idee, die Autobahn in einen Tunnel zu legen, käme hier wohl niemand. In Belgien würden sich die Verantwortlichen wahrscheinlich eher anhören müssen, die Erschließung der Parzellen mit Versorgungsleitungen müsse besser werden und vor allem müsse der störende Radweg an der Autobahn (!) endlich verschwinden. In Deutschland wären solche Häuser laut Anwohnerberichten wohl wertlos.
Notverkauf eines womöglich wertlosen Hauses in Toplage mit bester Verkehrsanbindung? Was in Deutschland laut WZ-Berichten unmöglich erscheint, gibt es in Belgien. Anders als an deutschen Schnellstraßen und Autobahnen hat an der N498 jedes Haus eine eigene Zufahrt vom Garagenhof auf die Piste. Das einzige, was stört, sind besagter Radweg und die nicht als offizielle Beschleunigungsspur freigegebene Standstreifen.
Was auch immer wer will, das Beispiel zeigt auf beeindruckende Art und Weise, wie unterschiedlich Deutsche und Belgier ticken. Der Belgier nimmt’s gelassen, weil er weiß, dass er gegen etwas vom Staat Beschlossenes wenig ausrichten kann, und er macht das Beste draus. In Deutschland gründen sich Bürgerinitiativen, die oft wenig sachlich und gegen die Interessen der Gesellschaft einen aussichtslosen Kampf gegen die Mächtigen anzetteln.
Autor: Armin Möller
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