Von Margaretha Mazura.
Das ehemalige Äbtissinnenkloster Herkenrode bei Hasselt kann auf eine turbulente Geschichte zurückblicken. Errichtet von Graf Gerard van Loon um 1180 und von seiner Schwiegertochter, der jungen und reichen Ada, Gräfin von Holland, Anfang des 13. Jahrhunderts mit zu einem Äbtissinnen-Kloster der Zisterzienser gemacht, galt die Abtei einige jahrzehntelang als einflussreichste der Niederlande. Ihr goldenes Zeitalter erlebte sie jedoch unter Fürstbischof Evrard van der Marck im 16. Jahrhundert, der auch alle religiösen Kunstwerke, wie Glasfenster und sakrale Schätze, ansammelte. Die Äbtissinnen agierten über die Jahrhunderte hinweg mit wirtschaftlichem Weitblick, der sie reich machte und die Abtei-Ländereien stark erweitert. Dem bereitete 1796 jedoch die Lütticher Revolution ein jähes Ende und sorgte für eine vollständige Destruktion: alle Chordamen und Schwestern mussten das Kloster für immer verlassen, die Glasfenster wurden nach England verkauft. Ein Brand 1826, dem die Kirche, das Zentrum des Komplexes, zum Opfer fiel, versetzte der Abtei den Todesstoß.
Die Herkenroder Abtei heute
Im Jahr 1974 wurde die Abtei Herkenrode zum Denkmal erklärt und die Umgebung unter Landschaftsschutz gestellt. 1998 erwarb die flämische Regierung das Land und ließ die bestehenden Gebäude nach den Plänen der Vergangenheit restaurieren. Heute kann man das Museum besuchen, in dem die “Äbtissinnen erzählen” und den Kräutergarten besuchen, der auf 2 Hektar Ruhe und Inspiration bietet. Der ehemalige Pferdestall beherbergt ein Bistro mit Tischen im Freien. Wer die weitere Gegend kennenlernen möchte, dem wird ein Rundwanderweg bis zum Albert-Kanal geboten, der auch mit dem Rad befahren werden kann.
Spiegelinstallation „The Quiet View“
Von den roten Ziegelsteingemäuer des Abteiensembles, der grünen Landschaft und herbstlich bunten Bäumen hebt sich eine graue, kastenförmiges Halle ab, die einen Mittelpunkt zu bilden scheint. Ist es Einbildung, oder übt es eine gewisse Anziehungskraft aus, trotz des abweisenden Äußeren? Die Eingangstür ist geöffnet, ein dunkler Gang, an dessen Ende etwas Licht zu erkennen ist. Man tritt vor eine Art Panorama-Fenster, nur dass die dahinterliegende Landschaft nichts mit der Umgebung zu tun hat. Es ist ein kahles Seengebiet, mit Booten und Brücken, laublosen Gesträuch in Grautönen. Die Aussicht ist tatsächlich still, endlos geformt, zum Meditieren eignet sich auch die komfortable Sitzbank davor. Es handelt sich dabei um die Spiegelinstallation des belgischen Künstlers Hans Op De Beeck. Auf dem Grundriss der ehemaligen Abteikirche errichtet, strömt die “Stille Aussicht“ tatsächlich kontemplatives Schweigen aus – aber mit beunruhigenden Unterströmungen.
Hans Op de Beeck will nach eigener Aussage der Welt ein Fenster bieten. Dieses Credo des Künstlers zieht sich wie ein roter Faden durch sein Werk. Das Allround-Genie – er arbeitet an Skulpturen, Malerei, Installationen und Videos – ist ein Meister der 50 Grauschattierungen, die in seinen Arbeiten vorherrschen. Eines seiner beeindruckendsten Werke ist der „Danse macabre“, derzeit in Brügge zu sehen: Ein graues, lebensgroßes Karussell, das wie versteinert zu einem barocken Memento Mori mit Skeletten wird.
Mehr Information zur Abtei (auf Deutsch):
https://www.abdijsiteherkenrode.be/de
Mehr Information zu Hans Op de Beeck und seinem Werk (auf Englisch):
https://www.hansopdebeeck.com/
„Danse macabre“ in Brügge:
https://www.visitbruges.be/de/triennale-von-brugge-2021/kunstler-und-architekten/hans-op-de-beeck
Fotos: Margaretha Mazura
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