Von Angela Franz-Balsen.
Sorgen um die Zukunft der Bienen machen sich derzeit viele. Was früher nur Imker, Experten und Naturschützer umtrieb – Monokulturen und Pestizideinsatz in der modernen Landwirtschaft verursachen den dramatischen Rückgang der Bestäuber – wird gerade zum Megathema in Medien und Politik. Das Buch die „Geschichte der Bienen“ wurde 2017 zum Bestseller. Auch in Großstädten wie Brüssel, Berlin oder Paris möchten immer mehr Menschen dazu beitragen, die emsigen Honigproduzenten zu erhalten. Die Imkerei in Gärten, auf Dächern und Balkonen heißt in Brüssel „Apiculture urbaine“, und ist hier gar nicht so neu.
Goldgelb glitzert er im Glas, der Honigwein, den Xavier Renotte zur Verkostung ausschenkt. Das Getränk geht elegant über die Zunge und hinterlässt einen nachhaltigen Abgang. Und es hat eine äußerst anregende Wirkung, wie der anschwellende Lärmpegel beim privat organisierten Tasting beweist.
ROB und Sofitel servieren Honig von ihrem Dach
Seit Jahren experimentiert der 37Jährige Belgier nicht nur mit Honigsorten, sondern auch mit „l’hydromel“, also Met, das schon Gallier, Griechen und Römer schätzten. Zwar kreiert er inzwischen auch Essig und Senfsorten, aber seine wahre Passion gilt der Renaissance des einheimischen Gebräus, das durch Fermentation aus Honig und Wasser entsteht. Unterstützt von Sonia Collin, einer Professorin für Bierbrauerei und Wein an der Université Catholique de Louvain, arbeitet er an der Geschmacksnuancierung des Honigweins.
Xavier Renotte, der sich 1993 als 12Jähriger seinen ersten Bienenstock kauft, ist der wohl dynamischste und innovativste unter den Hunderten von Stadtimkern in Brüssel. Die Brüsseler Standorte seiner Bienenstöcke sind auf dem Dach des Sofitel Hotels an der Place Jourdan und auf dem Dach des Gourmet-Tempels ROB, in Woluwe St. Pierre. Das ist keine schlechte Werbung für die Besitzer der Dächer: Hotelgäste können sich hauseigenen Honig aufs Baguette streichen, und im ROB wird „Miel du Woluwe“ verkauft. Der Stadthonig ist erstaunlicherweise weniger mit Schadstoffen belastet, als der aus Regionen mit intensiver Landwirtschaft, so das Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie. Die Luftschadstoffe in Innenstädten werden vermutlich weniger im Honig abgelagert als Chemikalien, die in der Landwirtschaft Verwendung finden.
Es wäre aber falsch, Xavier Renotte nur als cleveren Geschäftsmann darzustellen. Die 2009 von ihm mit 10 anderen Imkern gegründete Kooperative „Nectar & Co“ – The Bee Company“ produziert ausschließlich Bio-Produkte und ist den Prinzipien der Nachhaltigkeit verpflichtet: “Mit unseren Aktivitäten engagieren wir uns für die Förderung und Entwicklung einer lokalen Bienenzucht, die nachhaltig und biologisch ist und damit langfristig zum Erhalt der Umwelt beiträgt.“ Bis jetzt können nur 30 Prozent des inländischen Bedarfs aus der belgischen Honigproduktion gedeckt werden, stattdessen wird viel Honig unter anderem aus China eingeführt. Diese Importe zu minimieren, ist ebenfalls eine Mission von Renotte und seinen Mitstreitern.
Bruxelles m’abeilles
Schon seit 125 Jahren gibt es in Brüssel die Société Royale d’Apiculture de Bruxelles et ses Environs (SRABE asbl), die als Dachverband von 350 Imkern fungiert und sich entschieden für den Schutz der Bienen einsetzt, zuletzt im April 2018 mit einer Demo für das Verbot dreier Neonikotinoide (Insektizide) durch die EU. Die Proteste waren übrigens erfolgreich, seit dem 27.4.2018 hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ein Freilandverbot für die bienenschädlichen Stoffe ausgesprochen. Neben der Interessensvertretung und Fortbildung ihrer Mitglieder ist die Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel der Sensibilisierung für die Bienenproblematik ein Schwerpunkt der Arbeit von SRABE. Der Slogan „Bruxelles m’abeilles“ (Bezug zu dem wunderbaren Chanson „Bruxelles ma belle“ von Dick Annegarn) ist in dieser Hinsicht ein genialer Schachzug.
Die Stadt Brüssel selbst startete 2010 ihr Bienenprojekt, indem sie drei Bienenstöcke auf ihrem Verwaltungsgebäude aufstellte. Nun findet man auf der Website für Umweltthemen genaue Hinweise, unter welchen Bedingungen Bienenhaltung in der Stadt erlaubt und sinnvoll ist (Siehe: https://environnement.brussels/thematiques/alimentation/produire-mes-aliments/que-produire-en-ville/lapiculture). Dort wird auch darauf hingewiesen, dass das Aufstellen von Bienenstöcken professionell durchgeführt werden muss, auch die Hobby-Imkerei muss erlernt werden.
Derartige Aus- und Fortbildungsangebote macht zum Beispiel auch „Apis Bruoc Sella“, eine Vereinigung von Umweltpädagogen, die das Bienenthema nutzen, um für Umweltprobleme zu sensibilisieren. Das Ökosystem Stadt steht dabei im Mittelpunkt.
Woche der Bienen und Wildbienen
Neben Tausenden von Bienenvölkern der Honigbiene (Apis melifera) gibt es im Stadtgebiet 135 Arten von Wildbienen. Wie lässt sich das erklären? Die Diversität der Blütenpflanzen in städtischen Gärten und Parks ist heutzutage größer als die im ländlichen Raum. So siedeln sich Bienenvölker problemlos in Innenstädten an.
Was den Umfang dieses Artikels sprengen würde, nämlich Einblicke in den faszinierenden Mikrokosmos der Bienenvölker und Hinweise zum Schutz der Bienen, das können interessierte Leserinnen und Leser in dieser Woche aus erster Hand von Fachleuten erfahren: Bruxelles bourdonne – unter diesem Motto ruft die Stadt Brüssel noch bis zum 3. Juni 2018 die Woche der Bienen und Wildbienen aus.
Weitere Informationen:
http://fr.nectar-co.com/fr/accueil.asp?LG=fr
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